Schema
Merke: § 244 StGB ist ein Qualifikationstatbestand zu § 242 I StGB. 4. Absatz findet sich eine weitere Qualifikation zu § 244 I Nr. 3 StGB.
Wichtig ist, dass das Vorliegen von §§ 242 I, 244 StGB die §§ 242 I, 243 StGB verdrängen!
§ 243 StGB ist ein Regelbeispiel, das nur an § 242 I anknüpft. Greift § 244 StGB, so wird der Grundtatbestand jedoch verdrängt und damit auch § 243 StGB. Deshalb ist es essenziell, zuerst §§ 242 I, 244 StGB zu prüfen. Sind diese einschlägig, darf auf § 243 StGB nicht mehr eingegangen werden!
I. Tatbestand
1. Grundtatbestand, § 242 I StGB
Vgl. hierzu die Ausführungen im Skript § 242 StGB – Diebstahl.
2. Qualifikation, § 244 I Nr. 1 – 3 StGB
a. § 244 I Nr. 1 StGB – Diebstahl mit Waffen
aa. Nr. 1 a
- Waffe (siehe zu dem allgemeinen Begriff Skript zu 223, 224 StGB)
Eine Waffe ist ein Gegenstand, der seiner Bauart nach dazu bestimmt ist, erhebliche Verletzungen von Menschen zu verursachen.
Achtung: Die „Waffe“ fällt hier nur unter den Normzweck, wenn sie einsatzbereit ist oder ohne Zäsur einsatzbereit gemacht werden kann.
P: Einschränkung für Berufswaffenträger?
Ob bei Menschen, die verpflichtet sind, eine Waffe zu tragen (zB Polizisten) eine Ausnahme (teleologische Reduktion der Norm) gemacht wird, wenn sie einen Diebstahl unter Beisichführung einer Waffe begehen, ist umstritten.
Eine solche Ausnahme käme dann nur in Betracht, wenn von dem Berufswaffenträger im Vergleich zu einem „normalen“ Täter des Waffendiebstahls eine geringere Gefahr ausgehen würde.
Es lässt sich argumentieren, dass die Gefahr schon deshalb geringer ist, da dem Berufswaffenträger erhöhte Kenntnis und Befähigung mit einer Schusswaffe unterstellt werden kann, mithin die Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Schusswaffe nicht direkt – und wenn, dann nur gezielt und nicht unbeholfen – zum Einsatz kommt.
Die herrschende Meinung lehnt eine Einschränkung mit Verweis auf die gesteigerte objektive Gefährlichkeit jedoch ab: Unabhängig davon, ob die Person eine Waffe aus dienstlicher Verpflichtung dabeihabe, erhöht sie am Tatort grundlegend die Eskalationsgefahr und damit Gefahr für die Beeinträchtigung von Rechtsgütern Dritter. Die erhöhte Kenntnis und Befähigung zum Schusswaffengebrauch führt nicht unbedingt zu einer verringerten Gefahr, vielmehr kann sie die Eskalationsgefahr sogar drastisch erhöhen, da Berufswaffenträger den Einsatz mit der Waffe beherrschen. Zumindest kann im Verhältnis zu „normalen Tätern“ des Waffendiebstahls eine geringere Hemmung zum Gebrauch der Waffe nicht grundsätzlich bejaht werden.
(NK-StGB/Kindhäuser, § 244 Rn. 23).
Merke auch, dass § 248a StGB (Diebstahl und Unterschlagung von geringwertigen Sachen) auf § 244 StGB keine Anwendung findet. Wenn also ein Polizist eine Waffe mit sich trägt und ein Snickers-Riegel stiehlt, trifft ihn die volle Härte des Gesetzes (§§ 242 I, 244 I Nr. 1 a StGB (+)). Unter dem Punkt „bei sich führen“ muss bei der Falllösung allerdings noch gesondert eingegangen werden, s.u.
- Gefährliches Werkzeug, (zu den allgemeinen Problemen siehe Skript zu 223, 224 StGB)
Ein gefährliches Werkzeug ist von einem sonstigen Werkzeug (Abs. 1 Nr. 1 b) abzugrenzen.
Ein gefährliches Werkzeug ist jeder Gegenstand, der als Angriffs- oder Verteidigungsmittel aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit und (!) der Art seiner Benutzung im konkreten Fall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen.
P: Einschränkung
Im Vergleich zu § 224 StGB muss der Begriff des gefährlichen Werkzeugs hier eingeschränkt werden. Der Grund ist die hohe Strafandrohung des § 244 StGB und, dass das gefährliche Werkzeug nur „beisichgeführt“ werden muss, also noch nicht einmal zur Verwendung kommen muss. Außerdem kann man mit so gut wie jedem Gegenstand einen Menschen verletzen, wenn man es konkret darauf anlegt. Damit ist eine teleologische Reduktion geboten.
Wie diese vorzunehmen ist, ist umstritten.
eA: Subjektive Einschränkung: Verwendungsabsicht/ -vorbehalt
Eine Minderansicht fragt, ob der Täter eine Verwendungsabsicht für den Gegenstand hat, oder zumindest, ob er sich vorbehält, diesen später zu nutzen. Dies findet jedoch keine Stütze im Wortlaut und erscheint im Vergleich zu Nr.1b) widersinnig, welcher gerade eine Verwendungsabsicht fordert (NK-StGB/ Kindhäuser, § 244 Rn. 10).
hM: Waffenersatzfunktion
Die herrschende Meinung stellt darauf ab, ob eine Verwendung als gefährliches Werkzeug bei objektiv-abstrakter Betrachtung naheliegt. Dies hat den Vorteil, dass Wertungswidersprüche der vorherig genannten Ansicht umgangen werden. Weiterhin geht mit der herrschenden Meinung eine gewisse Rechtssicherheit und Beweisbarkeit einher (Näher NK-StGB/ Kindhäuser, § 244 Rn. 13 ff.).
- Bei sich führen
Das Tatmittel muss dem Wortlaut nach beim Diebstahl bei sich geführt werden, somit also jedenfalls zwischen Versuchsbeginn (unmittelbares Ansetzen) und Vollendung der Wegnahme. Umstritten ist, ob es auch reicht, dass der Täter das Werkzeug zwischen Vollendung und Beendigung bei sich führt (allgemeiner Streit zur sukzessiven Qualifikation).
Dies bedeutet im Umkehrschluss auch, dass ein Beisichführen im Versuchsstadium den Rücktritt nicht ausschließt. Entledigt sich der Täter des Tatmittels im Versuchsstadium und begeht den Diebstahl ohne dieses, so ist über einen Teilrücktritt (Strafbarkeit aus Grundtatbestand; Rücktritt von der versuchten Qualifikation) nachzudenken.
Beachte, dass in Fällen, in denen der Täter eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug erst am Tatort findet oder einsammelt und nach dem Versuchsbeginn noch bei sich trägt, der Tatbestand ebenfalls bejaht wird.
Wie der Wortlaut zeigt, ist es nicht entscheidend, ob der Täter das Tatmittel auch einsetzt. Notwendig ist jedoch, dass eine tatsächliche Zugriffsmöglichkeit gegeben ist, dass der Täter also von der Waffe oder dem gefährlichen Werkzeug bei Wegnahme ohne Zäsur Gebrauch machen könnte.
bb. Nr. 1 b
- Sonst ein Werkzeug oder Mittel,
...
Quellen:
Fischer, 67. Auflage 2022, § 244 Rn. 32, 34, 47a.
MüKoStGB/Schmitz, 4. Auflage 2021, § 244 Rn. 33 ff.
NK-StGB/ Kindhäuser, 5. Auflage 2017, § 244 Rn. 10, 13 ff., 23.
19.05.2023