Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG – Allgemeines Persönlichkeitsrecht

Schema

Merke: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (APR) ist ein facettenreiches Grundrecht, welche das Bundesverfassungsgericht aus Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG entwickelt hat. Es hat in der Rechtsprechung unterschiedliche Ausprägungen erfahren und erfasst diverse Sachverhalte.


I. Schutzbereich 
1. Sachlicher Schutzbereich
Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt „Elemente der Persönlichkeit, die nicht Gegenstand der besonderen Freiheitsgarantien des Grundgesetzes sind, diesen aber in ihrer konstituierenden Bedeutung für die Persönlichkeit nicht nachstehen“ (BVerfGE 153, 182 – Verfassungswidrigkeit des Verbots der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung = NJW 2020, 905, Rn. 205). Insofern kommt dem APR eine Lückenfüllfunktion zu: Geschützt sind Fallkonstellationen mit einem näheren Bezug zur Persönlichkeit und Menschenwürde. Vorausgesetzt ist aber, dass sie noch nicht einem speziellen Grundrecht unterfallen und auch nicht durch die Allgemeine Handlungsfreiheit aufgefangen werden (Jarass, Art. 2, Rn. 42).

Hinweis: Die nachfolgend im Schutzbereich aufgeführte Systematisierung der Rechtsprechung ist nicht zwingend und soll zu einem Überblick über die Bandbreite des Grundrechts führen (tiefergehend Kingreen/Poscher, 38. Auflage, S. 131 ff.). In der Fallbearbeitung ist die Abgrenzung regelmäßig schwierig und auf Schutzbereichsebene nicht so zentral wie auf Rechtfertigungsebene. Es genügt, einen unter den Schutzbereich fallenden Sachverhalt überzeugend zu identifizieren.

 

a. Recht auf Selbstbestimmung
Das Recht auf Selbstbestimmung umfasst die Bestimmung der Persönlichkeit und der Lebensführung. Sie ist so gesehen die Grundbedingung der Selbstentfaltung nach außen.


- Kenntnis der eigenen Abstammung
Sie verleiht kein Recht auf Verschaffung solcher Kenntnisse, sondern kann nur vor der Vorenthaltung erlangbarer Informationen durch staatliche Organe schützen (BVerfGE 96, 56 - Auskunftsrecht des nichtehelichen Kindes auf Benennung des Vaters = NJW 1997, 1769).

 

- Familienbeziehungen
So hat beispielsweise der rechtliche Vater ein Recht auf Kenntnis der Abstammung seines Kindes – heimliche Vaterschaftstests dürfen jedoch wegen dem Recht des Kindes auf informationelle Selbstbestimmung (ebenfalls aus dem APR) als Beweismittel abgelehnt werden (BVerfGE 117, 202 – Verfaren zur Feststellung der Vaterschaft – Heimlicher Vaterschaftstest = NJW 2007, 753).

 

- Sexuelle Selbstbestimmung (BVerfGE 47, 46 – Sexualerziehung in der Schule = NJW 1978, 807)

 

- Geschlechtliche Identität (BVerfGE 147, 1 – Verfassungsrechtlicher Schutz der Geschlechtlichen Identität = NJW 2017, 3643)

 

- Recht auf selbstbestimmtes Sterben (BVerfGE 153, 182 – Verfassungswidrigkeit des Verbots der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung = NJW 2020, 905)

 

b. Recht auf Selbstbewahrung 
Weiterhin ist die Bewahrung einer persönlichen, von der Öffentlichkeit abgegrenzten Lebenssphäre geschützt.

 

- Privatsphäre
Die Privatsphäre ist als Rückzugsort des Einzelnen in sachlicher, räumlicher und persönlicher Hinsicht zu bestimmen. Eine mögliche Definition nach ist sie ein räumlicher Bereich, in dem der Einzelne zu sich kommen, sich entspannen oder auch gehen lassen kann (BVerfGE 2020, 300 – Veröffentlichung von Fotografien aus dem Privatleben Prominenter = NJW 2000, 1021, 1022).


Darunter kann man auch das Recht auf die Selbstfindung im Alleinsein und in enger Beziehung zu ausgewählten Vertrauten zählen – kurz: autonomer Bereich privater Lebensgestaltung. Dazu gehört zum Beispiel die Offenbarung der geschlechtlichen Beziehungen (BVerfGE 138, 377 - Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen Mutter über sexuelle Beziehungen = NJW 2015, 1506).

 

- Recht auf informationelle Selbstbestimmung 
Aus der Selbstbestimmung des Einzelnen über die Offenbarung von persönlichen Lebenssachverhalten folgt der Schutz vor unbegrenzter Sammlung und Zusammenführung von personenbezogenen Daten (BVerfGE 65, 1- Volkszählungsurteil = NJW 1984, 419). Personenbezogene Daten sind Angaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person.

 

- Recht auf die Gewährleitung der Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme (Computergrundrecht)
Die Erhebung und Verwertung personenbezogener Daten wird weiterhin konkret bezogen auf informationstechnischen Systemen wie Handys oder Computer geschützt (BVerfGE 120, 274 – Online-Durchsuchung = NJW 2008, 822).  Diese Ausprägung des APR ist regelmäßig abzugrenzen von anderen Grundrechten wie Art. 10 I und Art. 13 I GG.

 

c. Recht auf Selbstdarstellung 
Schließlich ist auch die ...

 


Quellen:
Kingreen/Poscher, 38. Auflage 2022.
Jarass/Pieroth/Jarass, 17. Aufl. 2022, GG Art. 2.
BVerfGE 153, 182 – Verfassungswidrigkeit des Verbots der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung = NJW 2020, 905.
BVerfGE 96, 56 - Auskunftsrecht des nichtehelichen Kindes auf Benennung des Vaters = NJW 1997, 1769.
BVerfGE 117, 202 – Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft – Heimlicher Vaterschaftstest = NJW 2007, 753.
BVerfGE 47, 46 – Sexualerziehung in der Schule = NJW 1978, 807.
BverfGE 147, 1 – Verfassungsrechtlicher Schutz der Geschlechtlichen Identität = NJW 2017, 3643.
BVerfGE 2020, 300 – Veröffentlichung von Fotografien aus dem Privatleben Prominenter = NJW 2000, 1021, 1022.
BVerfGE 138, 377 - Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen Mutter über sexuelle Beziehungen = NJW 2015, 1506.
BVerfGE 65, 1- Volkszählungsurteil = NJW 1984, 419.
BVerfGE 120, 274 – Online-Durchsuchung = NJW 2008, 822.
BVerfGE 152, 152 – Recht auf Vergessen I = NJW 2020, 300.
BVerfGE 106, 28 – Mithörvorrichtung = NJW 2002, 3619.
BVerfGE 54, 208 – Verhältnis des APR zur Meinungsfreiheit = NJW 1980, 2072, 2072.
BVerfG 1 BvR 2707/95 – Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts = NJW 2001, 594.

 


12.05.2023

Das vollständige Schema findest Du auf der heruntergeladenen PDF.
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