Art. 13 GG – Unverletzlichkeit der Wohnung

Schema

I. Schutzbereich
1. Sachlicher Schutzbereich
In Art. 13 I GG steht geschrieben, dass die Wohnung unverletzlich ist.
Art. 13 GG ist Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 I GG iVm Art. 1 GG) und zielt darauf ab, dem Einzelnen einen elementaren Lebensraum zu verbürgen und das Recht zu gewährleisten, „in Ruhe gelassen zu werden“ (BVerfGE 109, 279 - Großer Lauschangriff).

 

a. Wohnung
Unter einer Wohnung im Sinne des Art. 13 I GG versteht man alle Räume, die der allgemeinen Zugänglichkeit durch eine räumliche Abschottung entzogen und zur Stätte privaten Lebens und Wirkens gemacht sind. Ausreichend ist schon ein vorübergehender Aufenthalt.

 

Charakteristisch sind somit: Abschottung + Privatheit + Rückzugsort
Auch umfasst sind Nebenräume der Wohnung, Wohnmobile, Keller und Hotelzimmer. Mangels Abschottung jedoch nicht Autos oder Telefonzellen (Schoch: Jura Heft 1/2010, S. 22 – Die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG).

 

P: Betriebs- und Geschäftsräume
Der Wortlaut Wohnung legt zunächst einen privaten Gebrauch und somit den Ausschluss von teilweise öffentlich zugänglichen Betriebs- und Geschäftsräumen nahe. Das BVerfG hat aber angesichts des Sinn und Zwecks des Art. 13 GG entschieden, dass sie vom Schutzbereich umfasst sind. Insbesondere der Vergleich mit dem Schutzzweck der Berufsfreiheit aus Art. 12 GG, wo die Arbeit als wesentlich für die Persönlichkeitsentfaltung gilt, zwingt auf, dass auch den Räumen in denen eine solche Arbeit stattfindet, denselben Grundrechtsschutz zu gewährleistet ist. Somit versteht das BVerfG den Begriff der Wohnung iRd Art. 13 GG als „räumliche Privatsphäre“ (BVerfGE 32, 54, 70 ff – Betriebsbetretungsrecht/Schnellreinigung).


Entscheidend ist lediglich, dass die Räumlichkeiten nicht völlig ungehindert zugänglich sind, wie etwa in Malls. 


b. Geschützes Verhalten
Der Schutzbereich der Wohnung iSd Art. 13 GG umfasst nicht jegliche Beeinträchtigungen. Geschützt ist nicht das Besitzrecht an einer Wohnung, sondern ihre Privatheit. Daher umfasst dies etwa nicht, sie zum Lebensmittelpunkt zu machen und zu behalten.  Zentral geht es um Störungen des Privatlebens. Konkret bedeutet das: Die Kündigung eines Mietverhältnisses berührt den Schutzbereich nicht, da sie zum Umzug in eine neue Wohnung führt. Eine Räumung gegen den Willen des Mieters im Zwangsvollstreckungsverfahren oder das widerrechtliche Eindringen des Vermieters iSd § 858 BGB hingegen schon (BVerfGE 89, 1, 11 ff. - Mietereigentum).

 

2. Persönlicher Schutzbereich
Art. 13 GG ist ein Jedermann-Grundrecht. Auch juristische Personen können sich darauf berufen, vgl. Art. 19 III GG.


Wichtig ist, dass die Eigentumsverhältnisse für den Grundrechtsschutz nicht von Relevanz sind. Abgestellt wird vielmehr darauf, wer unmittelbarer Besitzer der geschützten Räume ist (tatsächliche Besitzverhältnisse).

 

II. Eingriff
Ein Grundrechtseingriff ist bei jeder Beeinträchtigung der Privatheit geschützter Räumlichkeiten durch die öffentliche Gewalt zu bejahen (Schoch: Jura Heft 1/2010, S. 24). 


Hierunter fällt körperliches Eindringen (Betreten und Verweilen) sowie unkörperliche Eingriffe in Form der akustischen oder optischen Wohnraumüberwachung gegen den Willen des Grundrechtsträgers (Jarass/Pieroth/Jarass GG Art. 13 Rn. 7).


Hinweis: Bereits hier unter dem Prüfungspunkt „Eingriff“ kann man die verschiedenen speziellen Eingriffsformen der Absätze II-VII des Art. 13 GG definieren und feststellen, welche Art vorliegt. Im Rahmen der Rechtfertigung greift man dann je nach Eingriffsform die gesetzlichen Rechtfertigungsvoraussetzungen wieder auf. Der Übersichtlichkeit halber sind die Eingriffsarten vorliegend unter III. kompakt zusammengefasst.

 

Sonderproblem: Nachschau in Betriebs- und Geschäftsräumen (BVerfGE 32, 54, 73 ff. – Betriebsbetretungsrecht/Schnellreinigung)


Das BVerfG nimmt bei Betriebs- und Geschäftsräumen durch die teilweise Öffnung zur Öffentlichkeit eine abgeschwächte Schutzintensität an. Das betrifft Fälle der Nachschau, welche der Kontrolle der Einhaltung der gesetzlichen Regelungen dient, etwa nach §§ 17, 20 HwO zur Feststellung, ob ein Handwerker eine Ausübungsberechtigung hat.

Unter den folgenden Voraussetzungen liegt kein Eingriff in Art. 13 GG vor:


- Gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zur Betriebsbetretung,


- Betriebsbetretung muss erlaubtem Zweck dienen und dafür erforderlich sein,


- das Ermächtigungsgesetz muss Zweck, Gegenstand und Umfang der Betriebsbetretung kenntlich machen,


- Betriebsbetretung nur zu Zeiten der normalen geschäftlichen Nutzung.

Beim Eingriff ist stets zu beachten, dass keine Rechtsgutsverletzung vorliegt, soweit der Grundrechtsberechtigte mit einer staatlichen Maßnahme einverstanden ist. Dahingehend sind die bekannten Voraussetzungen der Einwilligung zu prüfen (Jarass/Pieroth/Jarass GG Art. 13 Rn. 10).

 

III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 
Welche Anforderungen an die Rechtfertigung des Eingriffes zu stellen ist, richtet sich nach der konkreten Art des Eingriffs.

 

1. Rechtfertigung von Durchsuchungen, Art. 13 II GG
Unter einer Durchsuchung versteht man das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe in einer Wohnung, um dort planmäßig etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung von sich aus nicht offenlegen oder herausgeben will (BVerwGE 28, 285; 47, 31; BVerfGE 51, 97 - Zwangsvollstreckung I).


a. Schranke: Qualifizierter Gesetzesvorbehalt
- Richtervorbehalt erforderlich; Ausnahme: Bei Gefahr im Verzug dürfen auch Polizei und Staatsanwaltschaft eine Durchsuchung anordnen. Gefahr im Verzug bedeutet einheitlich, dass die vorherige Einholung der richterlichen Anordnung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde.

 

- Art. 17a II GG qualifizierter Gesetzesvorbehalt für Verteidigung und Zivilschutz

 

b. Schranken-Schranke
- Verfassungsmäßige Rechtsgrundlage (z.B. §§ 102 ff. StPO)
- Verfassungsmäßigkeit des Einzelaktes, insb. Verhältnismäßigkeit

 

2. Rechtfertigung von technischen Überwachungen
Umfasst sind der ...

 


Quellen:
BVerfGE 109, 279 - Großer Lauschangriff.
Schoch, Friedrich in: Jura Heft 1/2010, S. 22 ff. – Die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG.
BVerwGE 28, 285; 47, 31.
BVerfGE 51, 97 - Zwangsvollstreckung I.
BVerfGE 89, 1, 11 ff. – Mietereigentum.
BVerfGE 32, 54, 70 ff – Betriebsbetretungsrecht/Schnellreinigung.
Jarass/Pieroth/Jarass, 17. Aufl. 2022, GG Art. 13 Rn. 8 ff.

 


20.12.2023

Das vollständige Schema findest Du auf der heruntergeladenen PDF.
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