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Art. 10 GG – Brief- Post- und Fernmeldegeheimnis

Schema

I. Schutzbereich
1. Sachlicher Schutzbereich
Art. 10 GG schützt die Vertraulichkeit der individuellen Fernkommunikation. Somit stellt der Schutzbereich, genau wie Art. 13 GG auch, eine Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG dar. (BVerfGE 110, 33, 52 f. – Zollkriminalamt)


Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis sind jeweils eigenständige Grundrechte.


Unabhängig von den unterschiedlichen Schutzobjekten ist zeitlich die gesamte Kommunikationsübermittlung von der Artikulation über die Transportierung des Kommunikationsinhalts bis zu deren Empfang geschützt (BVerfGE 115, 166, 184 – Verbindungsdaten). Gleichfalls ist Art. 10 GG in räumlicher Hinsicht grundsätzlich von dem Schutzbereich des APR und von Art. 13 GG abzugrenzen. Unter Art. 10 GG fällt, was nicht mehr nur vom Herrschaftsbereich des Grundrechtsträgers umfasst ist.

 

Beispiel: 
Somit fällt ein Paket vor seiner Absendung im Wohnraum unter Art. 13 GG.
Ein Telefon, das ausgewertet werden soll aber noch in der Wohnung liegt, fällt entweder unter die informationelle Selbstbestimmung des APR oder gleichfalls unter Art. 13 GG.

 

a. Briefgeheimnis, Art. 10 I Var. 1 GG
Das Briefgeheimnis schützt den brieflichen Verkehr der einzelnen untereinander gegen eine Kenntnisnahme der öffentlichen Gewalt von dem Inhalt des Briefes (BVerfGE 33, 1 (11) – Strafgefangene; NJW 1972, 811).


Unter einem Brief versteht man jede individuelle, schriftliche Mitteilung. Auch Päckchen, Pakete und Warensendungen sind geschützt. Mangels Individualität jedoch nicht Zeitungen oder Werbesendungen.


Geschützt ist deren Inhalt, die Anschrift des Absenders und des Empfängers sowie die Umstände der Briefkommunikation (Sachs/Pagenkopf, Rn. 12).

 

P: Muss der Brief verschlossen sein?
Umstritten ist, ob ein Brief vom Absender verschlossen sein muss, um den Schutz des Art. 10 I Var. 1 GG genießen zu können. Einige Stimmen verlangen dies mit Blick auf den Wortlaut des § 202 StGB (Sachs/Pagenkopf, Rn. 12; BVerfGE  67, 157, 171). Andere wiederum argumentieren teleologisch, wonach ein ungeschlossener Brief mit einer Postkarte oder einer Rechnung zu vergleichen ist, welche gleichermaßen vertraulich sein können und vom Schutzbereich umfasst sind (Dürig/Herzog/Scholz/Durner GG Art. 10 Rn. 93).

 

b. Postgeheimnis, Art. 10 I Var. 2 GG
Das Postgeheimnis gewährleistet den Schutz für den durch die Postdienstleister vermittelten Verkehr, also für postalisch beförderte Sendungen. Geschützt sind somit auch Pakete, Zeitungen, Kataloge und Werbesendungen (BVerfGE 67, 115, 171; Dürig/Herzog/Scholz/Durner GG Art. 10 Rn. 97).

 

Anders als das Briefgeheimnis wird durch das Postgeheimnis nicht das Kommunikationsmedium als solches, sondern der Verkehr durch die Post geschützt.

 

Wie beim Briefgeheimnis auch, wird der Inhalt der übermittelten Sendung sowie die damit einhergehenden Daten geschützt. Allerdings hat die abwehrrechtliche Dimension des Postgeheimnisses seit der Privatisierung der Deutschen Post AG weitestgehend an Bedeutung verloren. Die Deutsche Post und andere vergleichbare private Unternehmen, wie wir sie heute kennen, sind nicht unmittelbar grundrechtsverpflichtet. Der Staat hat jedoch eine Schutzpflicht zur Gewährleistung des Schutzes aus Art. 10 I Var. 2 GG (Dürig/Herzog/Scholz/Durner GG Art. 10 Rn. 101).

 

c. Fernmeldegeheimnis, Art. 10 I Var. 3 GG
Das Fernmeldegeheimnis schützt die unkörperliche Übermittlung individueller Kommunikation mittels Fernmeldetechnik und somit die sogenannte Telekommunikation (BVerfGE 115, 166, 182 – Verbindungsdaten).
Beispielsweise sind dies neben Telefonaten auch WhatsApp Nachrichten, E-Mails, SMS.


Nicht geschützt sind hingegen Rundfunk oder Internetseiten, die für die Allgemeinheit zugänglich sind. Allerdings sind auch E-Mails an einen unbestimmten Personenkreis nicht von Art. 10 GG, sondern von Art. 5 I S. 2 GG umfasst. Die Einordnung gelingt im Einzelfall mittels des Merkmales der individualisierten Kommunikation, das heißt dass etwa eine Zugangsberechtigung durchbrochen werden muss (BVerfGE 120, 274, 340 f.; Dürig/Herzog/Scholz/Durner GG Art. 10 Rn. 118).

 

Als Sonderfall sieht das BVerfG allerdings das sog. „Surfen“ als vom Fernmeldegeheimnis geschützt an (BVerfGE NJW 2016, 3508, 3510).

 

Das Tatbestandsmerkmal „unkörperlich“ grenzt das Fernmeldegeheimnis von dem Postgeheimnis ab, welches sich lediglich auf körperliche Kommunikationsmedien bezieht.

 

Beachtet werden muss, dass nur die laufende Kommunikation unter das Fernmeldegeheimnis fällt. Somit beginnt der Schutz mit dem „auf dem Weg machen“ der Übermittlung und endet mit dem Abschluss des Übermittlungsvorgangs, also spätestens mit dem Eintreffen beim Empfänger. Das bedeutet also, dass es auf eine Wahrnehmung der Übermittlung durch den Empfänger nicht ankommt. Auch bedeutet dies, dass dort, wo nach Abschluss des Übermittlungsvorgangs  ...

 


Quellen:
BVerfGE 33, 1 (11) – Strafgefangene.
NJW 1972, 811.
BVerfGE 124, 43 - Beschlagnahme von E-Mails.
BVerfGE 110, 33 – Zollkriminalamt.
BVerfGE 115, 166, 184 – Verbindungsdaten.
BVerfGE 100, 313 (359 f., 372). – Telekommunikationsüberwachung.
BVerfGE  67, 157, 171.
BVerfGE NJW 2016, 3508, 3510.
BVerfGE 106, 28, 38 – Mithörvorrichtung.
Sachs/Pagenkopf, Grundgesetz Kommentar, 9. Auflage, Art. 10, Rn. 12.
Dürig/Herzog/Scholz/Durner, 97. Auflage, GG Art. 10 Rn. 91-93.
Jarass/Pieroth/Jarass, 17. Auflage, GG Art. 10 Rn. 3-10.

 


12.05.2023

Das vollständige Schema findest Du auf der heruntergeladenen PDF.
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