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§ 988 BGB – Nutzungen des unentgeltlichen Besitzers

Schema

Merke: § 988 BGB trifft ausnahmsweise Regelungen zum gutgläubigen und unverklagten Besitzer. Dieser soll durch die Regelungen zum EBV zwar privilegiert werden, ist jedoch weniger schutzwürdig, wenn er den Besitz unentgeltlich erlangt hat. In diesem Fall sollen wenigstens die Nutzungen, um die dieser Besitzer unentgeltlich bereichert ist, wieder abgeschöpft werden können.


I. Vindikationslage
II. Nutzungsziehung
Nutzungen sind die Früchte einer Sache (Sachfrüchte) sowie die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache (Gebrauchsvorteil) gewährt, § 100 BGB. Siehe hierzu ausführlich unser Schema zu §§ 987, 990 BGB.  

 

Beachte: Die Ausdehnung des § 987 II BGB auf schuldhaft nicht gezogene Nutzungen gilt hier nicht! Dies erklärt sich erneut aus der höheren Schutzbedürftigkeit des gutgläubigen und unverklagten Besitzers.

 

III. Besitzer gutgläubig und unverklagt
Der unrechtmäßige Besitzer muss hinsichtlich seines Besitzrechtes gutgläubig sein. Darüber hinaus darf das Besitzrecht nicht durch Klage bestritten sein. Konkret bedeutet dies: 


- Der Besitzer darf keine Kenntnis von seinem fehlenden Besitzrecht oder grob fahrlässige Unkenntnis hiervon haben, § 932 II BGB analog. Ist er jedoch bösgläubig, so greift stattdessen § 990 BGB.


- Es darf keine Rechtshängigkeit des Streits über das Besitzrecht vorliegen, § 261 ZPO. Auch ab diesem Zeitpunkt ist der Besitzer nicht mehr schutzwürdig, stattdessen greift § 987 BGB.

 

IV. Unentgeltliche Besitzerlangung
Der jetzige Besitzer muss seinen Besitz unentgeltlich erlangt haben.

 

Beispiel: 
Der Dieb (D) stiehlt dem Eigentümer (E) sein Auto. Dieses verschenkt er dann an seinen Bruder (B). B ist gutgläubig und fährt das Auto einige Zeit. 
In diesem Beispiel konnte B kein Eigentum erlangen (§ 935 BGB). Dennoch ist er bezüglich seines Besitzrechtes gutgläubig und besitzt das Auto als ihm gehörend (Eigenbesitz). Er muss dem E gezogene Nutzungen ersetzen.

 

P: Analoge Anwendbarkeit auf rechtsgrundlose Besitzerlangung?
Ob § 988 BGB darüber hinaus analog auf die entgeltliche, aber rechtsgrundlose Besitzerlangung anzuwenden ist, ist umstritten.

 

Beispiel: A verkauft B seinen PKW, den dieser eine Weile fährt. Nach einigen Monaten stellt sich heraus, dass A unerkannt geisteskrank war. B war gutgläubig hinsichtlich seines Besitzrechts. A verlangt die gezogenen Nutzungen heraus.

 

Hier ist das schuldrechtliche Geschäft unwirksam, ebenso wie das dingliche Geschäft (keine dingliche Einigung). A ist Eigentümer geblieben, B hat kein Recht zum Besitz, da der schuldrechtliche Vertrag nichtig ist. 


In diesem Fall ergibt sich die Schwierigkeit, dass das Bereicherungsrecht aufgrund der Vorrangigkeit des EBV gesperrt wird, siehe § 993 BGB. Die Regelungen zum EBV sind jedoch nicht anwendbar, da B gutgläubig und unverklagt war und § 988 BGB nur bei Unentgeltlichkeit greift.

 

Dies führt zu der Situation, dass es für den A von Vorteil wäre, wenn lediglich der schuldrechtliche Vertrag nichtig wäre – denn dann ist weiterhin eine Abwicklung über das Bereicherungsrecht möglich, und das EBV wäre nicht einschlägig. Denn B hätte Eigentum rechtsgrundlos erlangt, weshalb eine Vindikationslage nicht vorliegen würde. Erst dadurch, dass der rechtsgeschäftliche Mangel so gravierend ist, dass auch das dingliche Geschäft unwirksam ist, greifen die Regeln zum EBV mit ihrer Sperrwirkung.

 

Der BGH wendet in solchen Fallkonstellationen ...

 


Quellen:
Spohnheimer/BeckOGK, 01.02.2023, § 988 BGB Rn. 9 ff.

 


29.05.2023

Das vollständige Schema findest Du auf der heruntergeladenen PDF.
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