Schema
Merke: § 985 BGB normiert einen dinglichen Herausgabeanspruch des Eigentümers einer beweglichen oder unbeweglichen Sache gegen den (iSv § 986 BGB) nicht zum Besitz berechtigten Besitzer. Eine solche Vindikationslage „eröffnet“ als allgemeine Voraussetzung sämtliche Ansprüche aus dem EBV. Ansprüche aus §§ 861, 1007, 812 ff., 823 ff. iVm 249 I BGB sind neben dem § 985 BGB anwendbar! Auch vertragliche Herausgabeansprüche bleiben neben dem § 985 BGB anwendbar und sind zuerst zu prüfen.
Das EBV ist in §§ 987 ff. BGB geregelt und befasst sich ergänzend zu § 985 BGB mit einer Fülle an Ansprüchen des Eigentümers einer Sache gegen den nicht zum Besitz berechtigten Besitzer (z.B. Schadensersatzansprüche nach §§ 989 – 993 BGB sowie Ansprüche auf Herausgabe oder Ersatz von Nutzungen nach §§ 987, 988 BGB). Auch befasst es sich mit Ansprüchen des Besitzers gegen den Eigentümer (z.B. Verwendungsersatz §§ 994 – 1003 BGB). (JuS 2013, 495)
1. Anspruchsteller ist Eigentümer
Hier gilt es sauber chronologisch zu prüfen, und zwar bis zum Zeitpunkt des Herausgabeverlangens! Wem stand das Eigentum an der Sache zuerst zu? An wen ist das Eigentum möglicherweise danach – rechtsgeschäftlich oder aber kraft Gesetzes (z.B. §§ 946 ff. BGB) – übergangen? Usw.
2. Anspruchsgegner ist unmittelbarer oder mittelbarer Eigen- oder Fremdbesitzer
Unmittelbarer Besitzer ist derjenige, der die tatsächliche Sachherrschaft/Gewalt über eine Sache hat, oder diese durch einen Besitzdiener ausüben lässt, vgl. § 854 BGB.
Besitzt jemand eine Sache als Nießbraucher, Pfandgläubiger, Pächter, Mieter, Verwahrer oder in einem ähnlichen Verhältnis, vermöge dessen er einem anderen gegenüber auf Zeit zum Besitz berechtigt oder verpflichtet ist, so ist auch der andere Besitzer (mittelbarer Besitz), vgl. § 868 BGB (Herrler, § 868 Rn. 1 ff.).
Ein Besitzdiener ist jemand, der die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis ausübt, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des Anderen Folge zu leisten hat. Ein Besitzdiener ist aber kein (!) Besitzer (vgl. § 855 BGB), weshalb er kein Anspruchsgegner sein kann.
3. Kein Recht zum Besitz, § 986 BGB
Hat der Anspruchsgegner ein Recht zum Besitz, so ist der Anspruch aus § 986 BGB nicht entstanden, da es sich bei § 986 um eine – anders als der Wortlaut „verweigern“ vermuten lässt – rechtshindernde Einwendung handelt.
a. Eigenes Recht zum Besitz, § 986 I 1 Alt. 1 BGB
aa. Relativ/Schuldrechtlich
Bsp.: Wirksamer Kauf-, Miet-, oder Schenkungsvertrag
Bsp.: Echte berechtigte GoA, §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB
bb. Dinglich
Bsp.: Pfandrecht (§ 1204 BGB), Werkunternehmerpfandrecht
(§ 647 BGB) oder Vermieterpfandrecht (§ 562 BGB)
Bsp.: Nießbrauch, § 1036 I BGB
cc. Anwartschaftsrecht
P: Anwartschaftsrecht als Recht zum Besitz?
Ein Anwartschaftsrecht als wesensgleiches Minus zum Eigentum, ist eine rechtlich gesicherte Position, die bei mehraktigen Erwerbstatbeständen entsteht, wenn der Erwerber so viel Erwerbserfordernisse erfüllt hat, dass der Veräußerer diese sichere Rechtsposition nicht mehr einseitig vereiteln kann.
Bsp.:
Behält sich der Verkäufer bis zur letzten Ratenzahlung des Kaufpreises das Eigentum vor, so ist im Zweifel anzunehmen, dass das Eigentum unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Zahlung des Kaufpreises übertragen wird, § 449 I BGB (Übereignung unter einfachem Eigentumsvorbehalt). Erst mit Eintritt dieser aufschiebenden Bedingung, erstarrt das Anwartschaftsrecht zum Vollrecht.
Die Literatur geht davon aus, dass das Anwartschaftsrecht ein RzB gewährt. Sie argumentiert damit, dass es ein wesensgleiches Minus zum Eigentum ist und das Eigentum wiederum ja unbestritten ein Recht zum Besitz gewährt.
Der BGH lehnt dies ab und führt unter anderem an, dass ...
Quellen:
Jauernig/Berger, 18. Aufl. 2021, BGB § 985 Rn. 4 f.; § 858 Rn. 7.
Herrler in: Palandt, 80. Auflage 2021, § 985 Rn. 8 f.; § 868; § 985 Rn. 3.
JuS 2013, 495.
Baldus in: MüKoBGB, 8. Auflage 2020, BGB § 986 Rn. 17 ff., 53.
29.05.2023