Schema
Merke: Der Aggressivnotstand ist im BGB normiert, stellt allerdings auch (!) einen strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund dar und wird oft im selben Atemzug mit dem Defensivnotstand gem. § 228 BGB genannt.
Zum Unterschied: Der Defensivnotstand ist ein Rechtfertigungsgrund, der zum Beispiel eine Sachbeschädigung (§ 303 StGB) rechtfertigt, wenn sich diese gegen Sachen richtet, von denen eine Gefahr ausgeht (bspw. bissige Tiere).
Beim Aggressivnotstand hingegen richtet sich ein Angriff zwar ebenfalls gegen Sachen, allerdings geht von diesen selbst keine (!) Gefahr aus (bspw. Knacken einer Autotür, um im Auto übernachten zu können, um nicht zu erfrieren).
Prüfungsort im Strafrecht ist nach der Notwehr und vor dem Notstand, vgl. dazu bspw. die Ausführungen in unserem Skript zu § 34 StGB – Rechtfertigender Notstand.
I. Notstandslage
1. Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut
Ein notstandsfähiges Rechtsgut ist jedes rechtlich geschützte Interesse, so bspw. Leib und Leben, auch aber die Freiheit, die Ehre, das Eigentum und vergleichbare Rechtsgüter. Eine Gefahr ist ein Zustand, in dem aufgrund tatsächlicher Umstände die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines schädigenden Ereignisses besteht.
2. Gegenwärtigkeit der Gefahr
Eine Gefahr ist gegenwärtig, wenn bei natürlicher Weiterentwicklung der Dinge der Eintritt eines Schadens sicher oder doch höchstwahrscheinlich ist, falls nicht alsbald Abwehrmaßnahmen ergriffen werden.
Wichtig: Im Rahmen des Defensivnotstandes wird die Gegenwärtigkeit der Gefahr nicht (!) vorausgesetzt.
II. Notstandshandlung
1. Einwirkung auf eine fremde Sache
Hierunter fällt nicht nur die Beschädigung oder Zerstörung, sondern auch eine bloße Benutzung, da diese der absoluten Eigentumsfreiheit des Eigentümers entgegensteht.
Beispiele:
- Um den Verletzen A vor weiteren Gefahren zu schützen, reißt die heraneilende H dem A dessen Pullover auf, damit sie seine Schnittwunde am Rücken verbinden kann.
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Quellen:
Schulte-Nölke/HK-BGB, 11.Auflage 2021, § 904 BGB Rn. 1 ff.
29.05.2023