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§§ 434, 435 BGB – Mangelbegriff

Schema

1. Sachmangel, § 434 BGB 

Die Sache ist dann frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen (Abs. 2), den objektiven Anforderungen (Abs. 3) und den Montageanforderungen (Abs. 4) des § 434 BGB entspricht (Legaldefinition). 

 

Gedanklich geht man § 434 Absatz für Absatz durch. Dabei ist insbesondere der Grundsatz zu beachten, dass individuelle Vereinbarungen den objektiv zu erwartenden vorgehen. Insoweit kann von der nach Absatz drei ausgelegten Beschaffenheit vertraglich abgewichen werden. 

 

a. Subjektive Anforderungen liegen nicht vor, Abs. 2 

Die subjektiven Anforderungen liegen vor, wenn alle drei Nummern kumulativ erfüllt sind. Das heißt, dass das ein Mangel schon bei einer Nichterfüllung einer der Nummern 1-3 vorliegt.

 

aa. Sache hat nicht die vereinbarte Beschaffenheit, § 434 II S. 1 Nr. 1 BGB 

Die Beschaffenheit umfasst jegliche Merkmale der Sache, die der Sache selbst anhaften oder sich aus ihrer Beziehung zur Umwelt ergeben. 

 

Beachte: Es bedarf einer expliziten Vereinbarung über die Beschaffenheit der Sache! Liegt diese nicht vor, so ist Nr. 1 nicht einschlägig! Zu der Beschaffenheit nach S. 1 Nr. 1 gehören Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige Merkmale der Sache, für die die Parteien Anforderungen vereinbart haben, vgl. Wortlaut§ 434 II S. 2 BGB. Eine scharfe Abgrenzung der Merkmale ist nicht nötig, da sie sich auch teilweise überschneiden. 

 

Besonderheiten der Merkmale sind konkreter: 

 

- Vertiefung: Das Merkmal Menge stellt den Problemkreis der Zuviel- (str.) und Zuweniglieferungen (auch Mankolieferungen genannt) auf. Als Mangel iSd § 434 II 1 Nr. 1 BGB gelten nur verdeckte Zuweniglieferungen, also wenn der Schuldner bei Übergabe die Tilgung der ganzen Leistung bestimmt. Offene Zuweniglieferungen stellen Teilleistungen dar und können nach § 266 BGB zurückgewiesen werden und sind im Falle des Zurückweisens als Nichtleistung zu werten. Wird die Teilleistung nicht zurückgewiesen, wird sie angenommen und ein Mangel liegt nicht vor (Brox/Walker, § 4 Rn. 10a; BeckOK BGB/Faust BGB § 434 Rn. 41). 

 

- Die Funktionalität, vgl. Art. 2 Nr. 9 Warenkauf-Richtlinie, wird schon von der gewöhnlichen Verwendung in Nr. 1 erfasst. 

 

- Die Kompatibilität ist gem. Art. 2 Nr. 8 Warenkauf-Richtlinie die Fähigkeit der Waren, mit der Hardware oder Software zu funktionieren, mit der Waren derselben Art in der Regel benutzt werden, ohne dass die Waren, die Hardware oder die Software verändert werden müssen. 

 

- Die Interoperabilität dahingegen gem. Art. 2 Nr. 10 Warenkauf-Richtlinie die Fähigkeit, mit einer anderen Hardware oder Software zu funktionieren als derjenigen, mit den Waren derselben Art in der Regel benutzt werden. 

 

Vertiefung: Sofern ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt, sind für eine Beschaffenheitsvereinbarung die in § 476 I 2 BGB aufgeführten Voraussetzungen für dessen Wirksamkeit zu beachten. 

 

bb. Sache eignet sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung, § 434 II S. 1 Nr. 2 BGB 

 

Beispiel: A und B schließen einen Kaufvertrag über einen Kleiderschrank. Dabei unterstellen sie, dass er stabil genug für B‘s schwere Oversized-Pullover ist. Beim Beladen des Schrankes merkt B plötzlich, dass der Schrank ganz und gar nicht stabil ist und im Grunde nur leichte T-Shirts trägt. 

 

cc. Sache ist nicht mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen übergeben worden, § 434 II S. 1 Nr. 3 BGB 

 

Beispiel: Bei dem Kauf einer IKEA-Spüle wurden die notwendigen und vereinbarten Schrauben nicht mitgeliefert. 

 

b. Objektive Anforderungen liegen nicht vor, Abs. 3 

Bei der Bestimmung objektiver Anforderungen zielt der objektive Erwartungshorizont auf den Vergleich mit anderen Stücken einer Art ab. Das kann im Verhältnis der Sache zu Produkten der gleichen Linie, aber auch zu Wettbewerbsprodukten vorgenommen werden. 

 

aa. Sache eignet sich nicht für die gewöhnliche Verwendung, § 434 III S. 1 Nr. 1 BGB 

 

Beispiel: Die Kette des Fahrrads springt sehr oft raus, weshalb es sich als Fortbewegungsmittel nicht eignet. 

 

bb. Sache weist eine solche Beschaffenheit nicht auf, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann, § 434 III S. 1 Nr. 2 BGB 

Zu der üblichen Beschaffenheit nach Satz 1 Nummer 2 gehören Menge, Qualität und sonstige Merkmale der Sache, einschließlich ihrer Haltbarkeit, Funktionalität, Kompatibilität und Sicherheit, vgl. Wortlaut § 434 III S. 2 BGB. Die Beschaffenheit kann nie der Wert einer Sache sein, da er zwar von ihr abhängt, aber durch außerhalb der Sache liegende Faktoren gebildet wird. Besonderheiten der Merkmale sind: 

 

- Die Menge ist nur in seltenen Fällen objektiv zu bestimmen, etwa bei zwei einzelnen Bluetooth Kopfhörern. 

 

- Die Qualität darf, obwohl auch Wettbewerbsprodukte zum Vergleich herangezogen werden können, nicht am höchsten Qualitätsstandard gemessen werden. 

 

- Die Haltbarkeit einer Sache ist gem. Art. 2 Nr. 13 Warenkauf-Richtlinie die Fähigkeit, ihre erforderlichen Funktionen und ihre Leistung bei normaler Verwendung zu behalten. Das bedeutet mit Rücksicht auf die geforderte Mängelfreiheit „bei Gefahrübergang“ aber keine (!) gesetzliche Haltbarkeitsgarantie. 

 

...

 

 

Quellen: 

Brox/Walker, § 4 Rn. 10a. 

BeckOK BGB/Faust BGB § 434 Rn. 41. 

BeckOK BGB Hau/Poseck, § 434 Rn. 76. 

Weidenkaff in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 80. Aufl. 2021, § 434 Rn. 8, 40 ff., 49. § 435 Rn. 12. 

BGH NJW 07, 3777. 

NJW 1972, 1462. 

 

 

29.05.2023

Das vollständige Schema findest Du auf der heruntergeladenen PDF.
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