Schema
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a. Täuschung über Tatsachen
Eine Täuschung ist jedes Einwirken auf das intellektuelle Vorstellungsbild eines anderen zwecks Hervorrufung einer Fehlvorstellung über Tatsachen.
Tatsachen sind alle konkreten Geschehnisse, Vorgänge oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Innenlebens zu verstehen, die sinnlich wahrnehmbar oder zumindest empirisch überprüfbar sind, somit der Vergangenheit oder der Gegenwart angehören und damit dem Beweis grundsätzlich zugänglich sind. Streng von Tatsachen abzugrenzen sind Meinungen/Werturteile.
Beispiel:
A überlegt, das Auto der C zu kaufen. C sagt dem noch zweifelnden A, dass es sich bei dem Wagen um einen „super Flitzer“ handelt. Davon überzeugt, kauft A das Auto. Wenig später stellt sich heraus, dass das Auto aufgrund eines – verschwiegenen – Motorschadens nicht über 100 km/h fahren kann.
Der verschwiegene Motorschaden ist unproblematisch eine Tatsache, über welche getäuscht wurde (BGH NJW 1967, 1222) (Prüfung: Täuschung durch Unterlassung! Entsprechend sind die Prüfungen des verschwiegenen Schadens und der Flitzer-Aussage zu unterscheiden und in zwei Prüfungen aufzuteilen).
Die Aussage „super Flitzer“ hingegen könnte auch als Werturteil der C gedeutet werden. Bessere Argumente sprechen jedoch dafür, dies auch als Tatsache, über welche getäuscht werden kann (und auch wurde) einzuordnen, da es sich bei C`s Aussage zumindest um eine objektivierbare Aussage über eine Eigenschaft des Autos handelt, welche dem Beweis zugänglich ist.
P: Konkludentes / stillschweigendes Miterklären / Täuschung durch Unterlassen
Täuschungen können nicht nur durch ausdrückliche Aussagen, sondern auch konkludent durch schlüssiges Verhalten oder sogar durch ein Unterlassen der Erwähnung einer Tatsache erfolgen (Achtung: Garantenstellung gem. § 13 I StGB erforderlich).
Mögliche Prüfungsreihenfolge unter dem Prüfungspunkt „Täuschung über Tatsachen):
aa. Hat der Täter ausdrücklich getäuscht?
bb. Hat er schlüssig die Unwahrheit gesagt?
cc. War er gem. § 13 I StGB "rechtlich" zur Aufklärung verpflichtet?
Beachte: Eine solche Pflicht kann sich aus Gesetz, als Haupt- oder Nebenleistungspflicht aus einem vertraglichen Vertrauensverhältnis, aus vorangegangenem Tun, str. ob auch aus Treu und Glauben ergeben.
Zur Vertiefung: Beispiele zu allen „Fallgruppen“ der Täuschung in Rengier, S. 248 ff.
b. Täuschungsbedingter Irrtum
Ein Irrtum ist jede kausal aus der Täuschung erwachsene oder aufrechterhaltene Fehlvorstellung über Tatsachen.
P: Zweifel und Leichtgläubigkeit des Getäuschten
P: Sachgedankliches Mitbewusstsein
Zu P: Zweifel und Leichtgläubigkeit des Getäuschten
Ein Irrtum liegt auch dann vor, wenn das Opfer an der durch den Täter behaupteten Tatsache zweifelt bzw. wenn das Opfer die Tatsache aufgrund von Leichtgläubigkeit für wahr hält (Rengier, Rn. 54 ff.).
Arg.:
Solange das Opfer die behauptete Tatsache eher für wahr als für unwahr erachtet, verlangt ein hinreichender Opferschutz, dass auch solche Fälle von § 263 StGB erfasst werden.
Arg.:
Auch naive Menschen müssen durch das Strafrecht geschützt werden
Zu P: Sachgedankliches Mitbewusstsein
Ein Irrtum des Opfers liegt auch dann vor, wenn das Opfer im Rahmen von Massengeschäften einem sog. sachgedanklichen Mitbewusstsein unterliegt. Damit ist gemeint, dass das Opfer bestimmte Umstände als selbstverständlich voraussetzt, über die der Täter allerdings getäuscht hat (Rengier, Rn. 45 ff.).
Beispiel:
Der Gläubiger glaubt an die Echtheit des Geldes, welches ihm der Schuldner zur Tilgung der Schuld bezahlt. Tatsächlich handelt es sich um Falschgeld.
Achtung:
Das sachgedankliche Mitbewusstsein ist von dem Fall abzugrenzen, in dem sich das Opfer gar keine Gedanken zu den Tatsachen macht, über die der Täter täuscht.
c. Irrtumsbedingte Vermögensverfügung
Eine Vermögensverfügung ist jedes Tun, Dulden, Unterlassen, welches sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt.
P: Dreiecksbetrug vs. Diebstahl in mittelbarer Täterschaft
P: Trickdiebstahl vs. Sachbetrug
P: Eingehungsbetrug
P: Beschlagnahmefälle
Zu P: Dreiecksbetrug vs. Diebstahl in mittelbarer Täterschaft
Im Obersatz bereits anzumerken: „Gegenüber B und zu Lasten C“.
Der Verfügende ist nicht Geschädigter und der Geschädigte ist nicht Verfügender. Da der Betrug ein Selbstschädigungsdelikt ist, muss bei einem Dreiecksbetrug ein Näheverhältnis zwischen dem (getäuschten) Verfügenden und dem Geschädigten bestehen, so dass man letzterem die Verfügung des Getäuschten zurechnen kann. Unter welchen Voraussetzungen eine solche Zurechnung möglich ist, ist umstritten.
e.A. (Befugnistheorie):
Die Vermögensverfügung wird nur zugerechnet, wenn Verfügender rechtlich befugt war, über den Gegenstand zu verfügen (Rengier, Rn. 101 ff.).
Arg.:
Einheit der Rechtsordnung: Nur bei wirksamer (zivilrechtlicher) Befugnis kann von „Selbstschädigung“ gesprochen werden.
Arg.:
Sonst keine randscharfe Abgrenzung zu § 242 StGB möglich und ggf. Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot aus
Art. 103 II GG.
a.A. (Lagertheorie):
Vermögensverfügung wird zugerechnet, wenn Verfügender aufgrund einer schon vorhandenen Obhutsbeziehung zur Sache im Lager des Geschädigten steht (Rengier, Rn. 101 ff.).
Arg.:
Umfassender Vermögensschutz
Arg.:
Die zivilrechtlich geprägte Befugnistheorie passt nicht zum wirtschaftlichen Vermögensbegriff des § 263 StGB.
Arg.:
Sonst Strafbarkeitslücken bei den meisten Gebrauchsanmaßungen
Beachte: Die Lagertheorie hat zwei Voraussetzungen:
1. Der getäuschte Verfügende muss objektiv schon vor der Täuschung in einem Näheverhältnis zum Vermögen des Geschädigten gestanden haben ("im Lager").
2. Der getäuschte Verfügende muss subjektiv glauben, im Interesse des Geschädigten zu handeln. Er darf keine Kenntnis davon haben, dass er durch die Verfügung dem Geschädigten einen Schaden zufügt.
Zu P: Trickdiebstahl vs. Sachbetrug
Diebstahl und Betrug schließen sich gegenseitig aus und können bzgl. einer Handlung niemals gleichzeitig vorliegen. Denn entweder liegt ein Gewahrsamsbruch oder eine freiwillige Verfügung über den Gewahrsam vor. Beides gleichzeitig ist nicht denkbar.
Ausgangspunkt:
Obwohl die Gewahrsamsverhältnisse grundsätzlich rein objektiv nach der Verkehrsanschauung beurteilt werden, ist für eine ordnungsgemäße Abgrenzung von Diebstahl und Betrug die Willensrichtung des Opfers maßgeblich!
Arg.:
Beim Diebstahl wird fremder Gewahrsam gegen oder ohne den Willen des Opfers gebrochen. Beim Betrug wird fremder Gewahrsam freiwillig übertragen.
Folge:
In einem solchen Fall muss für eine Vermögensverfügung gem. § 263 StGB ausnahmsweise (sonst muss das nicht vorliegen) auch ein Verfügungsbewusstsein vorliegen, welches darauf gerichtet sein muss, den Gewahrsam vollständig zu übertragen (Rengier, Rn. 71 ff.).
Beispiel:
Juwelier J reicht dem Täter T täuschungsbedingt einen teuren Ring, damit dieser ihn näher betrachten kann. J erlaubt T sogar sich den Ring außerhalb des Geschäfts bei Tageslicht anzuschauen. Als T außerhalb des Ladens ist, rennt er mit dem Ring davon.
Abgrenzungskriterium:
...
Quellen:
BGH NJW 1967, 1222.
Rengier, Strafrecht BT Teil I, 24. Auflage 2022, Rn. 54 ff., 71, ff., 101 ff., 150, 173 ff., 201 ff., 209 ff., 286.
12.07.2023