Schema
I. Vorprüfung
1. Keine Tatvollendung
2. Strafbarkeit des Versuches
Bei Verbrechen ergibt sich die Strafbarkeit des Versuches aus §§ 12 I, 23 I StGB.
Bei Vergehen ergibt sich eine Strafbarkeit nur explizit aus dem Gesetz, z.B. § 267 II StGB.
II. Tatbestand
1. Tatentschluss
Der Tatentschluss ist der Vorsatz zur Verwirklichung sämtlicher objektiver Tatbestandsmerkmale. Zudem müssen die besonderen subjektiven Tatbestandsmerkmale (bspw. Absicht der rechtswidrigen Zueignung iRd § 242 StGB) erfüllt sein.
Merke:
Bei Delikten mit überschießender Innentendenz (bspw. § 242 StGB, § 263 StGB, § 267 StGB) müssen die besonderen subjektiven Tatbestandsmerkmale (Zueignungsabsicht des § 242 StGB, Bereicherungsabsicht des § 263 StGB, Täuschungsabsicht § 267 StGB) ebenfalls stets erfüllt sein.
Formulierungsvorschlag für einen versuchten Diebstahl, §§ 242 I, II, 22, 23 I StGB:
A wusste, dass der Regenschirm des B für ihn eine fremde, bewegliche Sache war. Sein Vorsatz erstreckte sich auf den Bruch des Gewahrsams des B und auf die Begründung neuen, nämlich eigenen Gewahrsams.
Auch handelte A in der Absicht B zu enteignen, ihn somit aus der Eigentümerstellung zu verdrängen und sich die Sache zumindest vorübergehend anzueignen, mithin mit Zueignungsabsicht. Auch war ihm bewusst, dass er keinen fälligen und einredefreien Anspruch auf den Regenschirm hatte, die Aneignung mithin rechtswidrig war.
P: Abgrenzung (grundsätzlich strafbarer) untauglicher Versuch vom straflosen Wahndelikt
Ein untauglicher Versuch liegt vor, wenn die Tat entgegen der Vorstellung des Täters wegen einer Untauglichkeit des Tatobjektes, des Tatmittels oder der Person des Täters nicht vollendet werden kann (vgl. JA 2021, 793; JuS 2021, 385 (390).
Der untaugliche Versuch ist grundsätzlich strafbar, vgl. Wertung des § 23 III StGB.
Beispiel:
B schießt mit Tötungsvorsatz auf A. Die Waffe ist aber nicht geladen, was B nicht weiß.
Ein Wahndelikt liegt vor, wenn der Täter einen Sachverhalt richtig erkennt, er aber fälschlicherweise annimmt, dass dieser Sachverhalt strafbar sei. Es handelt sich um einen umgekehrten Verbotsirrtum (Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 22 Rn. 78; Fischer, § 22 Rn. 49 ff.).
Beispiel:
A denkt, dass es strafbar sei, Esskastanien in einem öffentlichen Park zu sammeln, da „sie ja immerhin dem Staat gehören“.
2. Unmittelbares Ansetzen
Der Täter setzt zur Tat dann unmittelbar an, wenn er aus seiner Sicht die Schwelle zum „Jetzt geht’s los“ überschritten hat, sodass seine Handlung ohne wesentliche Zwischenschritte in den Taterfolg mündet, das Rechtsgut somit aus seiner Sicht konkret gefährdet ist (gemischt subjektiv-objektive Theorie) (vgl. st. Rspr., vgl. BGH Urt. v. 16.9.1975 – 1 StR 264/75; NStZ 2020, 598).
P: Unmittelbares Ansetzen bei Regelbeispielen
P: Unmittelbares Ansetzen bei unechten Unterlassungsdelikten
P: Unmittelbares Ansetzen bei gemeinschaftlicher Tatbegehung nach § 25 II StGB
P: Unmittelbares Ansetzen bei mittelbarer Täterschaft
Zu P: Unmittelbares Ansetzen bei Regelbeispielen:
Es ist umstritten, ob man zur Verwirklichung eines Regelbeispiels (in der Regel § 243 StGB) unmittelbar ansetzen kann. Anders formuliert kann man fragen, ob der Versuch eines Regelbeispiels überhaupt möglich ist (JA 2006, 309 (313 ff.)).
Meinung 1:
Der Versuch von Regelbeispielen ist möglich, mithin kann man zu Regelbeispielen auch unmittelbar ansetzen.
Argumente:
Auch bei einem „versuchten Regelbeispiel“ liegt strafwürdiges Handlungsunrecht vor. Außerdem bilden die §§ 242, 243 StGB eine Einheit, die auch in der Versuchsprüfung nicht getrennt werden darf. § 23 II StGB erwähnt die "Tat" nicht den "Tatbestand", davon sind auch Regelbeispiele erfasst.
Meinung 2:
Man kann zu Regelbeispielen nicht unmittelbar ansetzen. Es gibt kein versuchtes Regelbeispiel.
Argumente:
Der Wortlaut von § 22 StGB bezieht sich auf den Tatbestand, zu welchem Regelbeispiele nicht gehören. Regelbeispiele sind keine Tatbestandsmerkmale. Nur der Versuch von Tatbeständen ist möglich. Eine andere Auslegung wäre ein Verstoß gegen das Analogieverbot in Art. 103 II GG.
Zu P: Unmittelbares Ansetzen bei unechten Unterlassungsdelikten
Es ist umstritten, wann bei dem Versuch von unechten Unterlassungsdelikten das unmittelbare Ansetzen des Täters vorliegt (Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 22 Rn. 37).
Beispiel:
M beschließt ihr Kind verhungern zu lassen. In Betracht kommt ein Totschlag durch Unterlassen gem. §§ 212, 13 I StGB. Beginnt der Versuch mit dem Auslassen der ersten Mahlzeit oder erst wenn der Tod des fast verhungerten Kindes gerade noch verhindert werden kann?
Meinung 1:
Das unmittelbare Ansetzen liegt erst beim Versäumen der letzten Rettungsmöglichkeit vor.
Argumente:
Der Garant muss erst ...
Quellen:
Fischer, 67. Auflage 2020, § 22 Rn. 49 ff.
Schönke/Schröder/Eser/Bosch, 30. Aufl. 2019, StGB § 22 Rn. 37, 78.
Schönke/Schröder/Eser/Bosch, 30. Aufl. 2019, StGB § 24 Rn. 7.
JA 2021, 793 – Warum sind untaugliche Versuche strafbar?
JuS 2021, 385 (387) – Der fehlgeschlagene Versuch.
NStZ 2020, 598 – Versuchsbeginn.
JA 2020, 583 (585 ff.) – Unmittelbares Ansetzen (§ 22 StGB) bei mittelbarer Täterschaft und bei Mittäterschaft.
JA 2006, 309 (313 ff.) – Die Regelbeispielsmethode: Tatbestands- oder Strafzumessungslösung?
JuS 2021, 1001 – Die Abgrenzung von unbeendetem und beendetem Versuch.
Jura 2008, S. 753 ff. – Denkzettelkonstellationen
18.10.2025
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