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§ 13 I StGB – Begehen durch Unterlassen

Schema

Merke: Man unterscheidet zwischen unechten und echten Unterlassungsdelikten. Echte Unterlassungsdelikte sind dadurch charakterisiert, dass bereits der Wortlaut des Tatbestandes hergibt, dass ein konkretes Nichthandeln oder ein Unterlassen unter Strafe steht, vgl. Wortlaut § 323c StGB oder § 123 I Var. 2 StGB. Diese Delikte kann man also „nur“ durch Unterlassen begehen.


Unechte Unterlassungsdelikte zeichnen sich dadurch aus, dass Tatbestände, deren Tatbestandsverwirklichung dem Wortlaut nach ein aktives Tun voraussetzen, durch Unterlassen einer Verhinderungshandlung verwirklicht werden. Dabei muss der Täter zur Erfolgsabwehr verpflichtet, mithin ein Garant sein. Denkbar ist beispielsweise die Tötung durch Unterlassung nach §§ 212, 13 StGB, wenn eine Mutter ihr Baby nicht mehr füttert (JuS 2010, 490). Unechte Unterlassungsdelikte sind daher eigentlich aktive Begehungsdelikte, die aber gem. § 13 StGB unter dessen speziellen Voraussetzungen auch durch Unterlassen begangen werden können.


1. Tatbestand
a. Erfolgseintritt
b. Unterlassen einer geeigneten und erforderlichen Verhinderungshandlung trotz physisch-realer und individueller Handlungsmöglichkeit
Der Täter muss eine geeignete und erforderliche Verhinderungshandlung unterlassen haben, trotz physisch-realer und individueller Handlungsmöglichkeit. Der Unterlassende muss entsprechend die Möglichkeit zur Verhinderung des Erfolgs haben, da Unmögliches nicht verlangt werden kann.


Die Erfolgsabwendung muss dem Täter auch zumutbar sein. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit kommt es auf Lage und Fähigkeit des Garanten, auf Nähe und Schwere der Gefahr und die Bedeutung des Rechtsgutes an.

 

P: Unterscheidung zwischen Tun und Unterlassen
P: Unterlassen beim Abbruch von Rettungshandlungen 
P: omissio libera in causa (entsprechen den Problemen der actio libera in causa)


Zu P: Unterscheidung zwischen Tun und Unterlassen
Manchmal ist es nicht ganz einfach zu bestimmen, ob ein Täter durch aktives Tun oder eben doch durch Unterlassen gehandelt hat. Liegt nämlich eine Tat durch Unterlassen vor, müssen im Tatbestand zusätzlich die Voraussetzungen von § 13 StGB geprüft werden. In diesen Fällen muss man sich fragen, ob der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit auf dem Tun oder dem Unterlassen liegt (Schönke/Schröder/Bosch, 30. Aufl. 2019, Vor §§ 13 ff. Rn. 158a). Dies ist zweifelsfrei eine Wertungsfrage.

 

Zu P: Unterlassen beim Abbruch von Rettungshandlungen: 
In Fällen, in denen der Täter eine bereits gestartete Rettungsaktion abbricht, kann es schwierig sein zu bestimmen, ob nun eine Tat durch aktives Tun oder durch Unterlassen vorliegt (dann müssten die zusätzlichen Voraussetzungen von § 13 StGB auch vorliegen).

 

Nach der allgemeinen Regel, dass auf den Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit abzustellen ist, ergibt sich daraus folgende Faustregel:

 

1. Der Täter hat eigene Rettungsbemühungen vorgenommen:
Entscheidend ist, ob das Opfer schon eine gesicherte Position innehatte, die im Nachhinein wieder aktiv zerstört wurde (dann Handlung) oder gerade noch nicht (dann Unterlassen).

 

Beispiel: 
Der A wirft seinem ertrinkenden Sohn S einen Rettungsreifen zu. Bevor der S den Reifen ergreifen kann, zieht A den Rettungsreifen wieder zu sich. Hier lag noch keine gesicherte Position des S vor, daher liegt hier eine Täterschaft durch Unterlassen vor.

 

2. Täter hat aktiv durch Täuschung oder Zwang andere Rettungswillige am Helfen gehindert:
In solchen Fällen ist der Täter Begehungstäter und kein Unterlassungstäter. Die zusätzlichen Voraussetzungen von § 13 StGB müssen also nicht vorliegen.

 

Beispiel: 
S, der Sohn des A, liegt auf dem Boden und verblutet. Als C ihm zur Hilfe kommen will, reißt der A den C nieder und hält ihn fest. Hier begeht A die Tat durch ein aktives Tun und nicht durch Unterlassen.

 

Zu P: omissio libera in causa (entsprechen den Problemen der actio libera in causa)
Omissio libera in causa beschreibt den Fall, wenn sich ein Garant absichtlich in einen Zustand versetzt, in dem er seiner Garantenpflicht nicht mehr nachkommen kann.

 

Beispiel:
Ein Bademeister, der sich absichtlich so stark betrinkt, dass er im Falle des Ertrinkens einer der Badegäste, diesen nicht mehr retten könnte.

 

Parallel zur actio libera in causa bei aktiven Begehungsdelikten nimmt die h.M. in solchen Fällen eine Täterschaft durch Unterlassen an (Schönke/Schröder/Bosch, 30. Aufl. 2019, Vor §§ 13 ff. Rn. 144). Es müssen also die zusätzlichen Voraussetzungen von § 13 StGB vorliegen.

 

c. Quasi-Kausalität / umgedrehte conditio-sine-qua-non-Formel
Nach der klassischen – hier nicht anzuwendenden – Äquivalenztheorie ist eine Handlung dann kausal für den eingetretenen Erfolg, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Art und Weise entfiele (conditio-sine-qua-non-Formel). 

 

Gegenfrage: Wenn Handlung XY weggedacht wird, entfällt dann gleichzeitig auch der Erfolg in seiner konkreten Gestalt? Wenn dem so ist, dann ist die Handlung XY dem Täter objektiv zurechenbar, sein Handeln ist kausal für den eingetretenen Erfolg.
Diese Formel passt im Rahmen eines unechten Unterlassungsdelikts aber nicht so recht. Sie kann nicht eins zu eins kopiert werden. Vielmehr ist ein Unterlassen dann kausal für den Erfolg, wenn die rechtlich gebotene Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne, dass der tatbestandsmäßige (konkrete) Erfolg entfiele (hypothetische Kausalität/Quasikausalität). Die sine-qua-non-Formel wird also umgedreht.


Die Gegenfrage lautet daher hier: Wäre der Erfolg auch eingetreten, wenn die gebotene Handlung vorgenommen worden wäre? (Schönke/Schröder/Bosch, 30. Aufl. 2019, StGB § 13 Rn. 61)

 

d. Garantenstellung
Ein Garant hat rechtlich dafür einzustehen, dass ein Erfolg nicht eintritt. Die Erforderlichkeit der Garantenstellung bei unechten Unterlassungsdelikten ergibt sich aus dem Wortlaut von § 13 StGB („rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt“). Garantenstellungen ergeben sich u.a. in folgenden Fällen.

 

Beschützergarant:
- Gesetz,
- ...

 


Quellen: 
JuS 2010, 490.
Schönke/Schröder/Bosch, 30. Aufl. 2019, StGB, Vorbemerkungen zu den §§ 13 ff. Rn. 61, 93, 144; 158a; § 13 Rn. 37.; § 15 Rn. 156.
BGHSt 6, 1(2).
Fischer, 67. Aufl. 2020, StGB § 13 Rn. 4 ff.
Münchener Kommentar zum StGB / Erb, 4. Aufl. 2020, § 34 Rn. 47.

 


19.05.2023

Das vollständige Schema findest Du auf der heruntergeladenen PDF.
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