Kumulative Kausalität (Gesamtkausalität)

Definition

Zwei voneinander unabhängige Handlungen führen nur gemeinsam betrachtet zum Erfolg.
Bsp.: A und B möchten unabhängig voneinander den C vergiften. Es stellt sich heraus, dass nur die Giftampullen der Täter gemeinsam zum Taterfolg führen.

Enthalten in:

Kausalität und objektive Zurechnung

Definitionen

Kausalität

Die Kausalität beschreibt neben der objektiven Zurechnung im Rahmen von Erfolgsdelikten und erfolgsqualifizierten Delikten den Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolg. Sie ist im Rahmen des objektiven Tatbestandes zu prüfen.

Äquivalenztheorie (auch: Bedingungstheorie)

Nach der klassischen Äquivalenztheorie ist eine Handlung dann kausal für den eingetretenen Erfolg, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Art und Weise entfiele (conditio-sine-qua-non-Formel). Zu thematisieren ist die Äquivalenztheorie im Rahmen der tatbestandlichen Kausalität einer strafrechtlichen Falllösung. 

Adäquanztheorie

Nach der Adäquanztheorie ist ein Kausalzusammenhang dann gegeben, wenn zwischen Handlung und Erfolg ein adäquater (d.h. angemessener) Zusammenhang besteht, d.h., erwartet werden kann, dass jene Handlung einen solchen Schaden üblicherweise herbeiführt.
Die Adäquanztheorie soll der Ausuferung der Äquivalenztheorie entgegenwirken, da sie eben gerade keine unwahrscheinlichen und untypischen Kausalverläufe abdeckt. Sie spielt im Strafrecht – anders als im Zivilrecht – allerdings eine nur untergeordnete Rolle, da sie im Grunde mit der objektiven Zurechnung übereinstimmt.

Alternative Kausalität (Doppel-Kausalität)

In Fällen der alternativen Kausalität fällt der Erfolg nicht weg, obwohl die Handlung hinweggedacht werden kann. Die Äquivalenztheorie muss entsprechend angepasst werden: Von mehreren Bedingungen, die zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne, dass der Erfolg entfiele, ist jede Bedingung für den Erfolg ursächlich. Bsp.: A und B möchten unabhängig voneinander den C vergiften. Eine Giftampulle der einzelnen Täter ist für sich genommen schon giftig genug.

Kumulative Kausalität (Gesamtkausalität)

Zwei voneinander unabhängige Handlungen führen nur gemeinsam betrachtet zum Erfolg.
Bsp.: A und B möchten unabhängig voneinander den C vergiften. Es stellt sich heraus, dass nur die Giftampullen der Täter gemeinsam zum Taterfolg führen.

Hypothetische Kausalität (Quasikausalität)

Im Rahmen von unechten Unterlassungsdelikten kann die conditio-sine-qua-non-Formel nicht eins zu eins kopiert werden. Ein Verhalten kann nicht hinweggedacht werden, wenn es nicht geschehen ist. Vielmehr ist ein Unterlassen dann kausal für den Erfolg, wenn die rechtlich gebotene Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne, dass der tatbestandsmäßige (konkrete) Erfolg entfiele. Die sine-qua-non-Formel wird also umgedreht. 

Objektive Zurechnung

Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg dann, wenn (1) die Handlung eine rechtlich missbilligte/relevante Gefahr geschaffen hat und (2) sich diese Gefahr im tatbestandlichen Erfolg realisiert hat.

Sozialadäquates Verhalten (Erlaubtes Risiko)

Um ein Zusammenleben der Menschen möglich zu machen, muss ein Verhalten, welches zwar zu einer Tatbestandsverwirklichung führt, aber sozialadäquat ist (allgemeines erlaubtes Risiko), hingenommen werden. Bsp.: A hat sich nicht nach § 222 StGB (Fahrlässige Tötung) strafbar gemacht, wenn sie vorschriftgemäß Auto fährt und unverschuldet in einen Unfall verwickelt wird und dabei der Fahrer des anderen Wagens zu Tode kommt. Sie bewegt sich im erlaubten Risiko.

Risikoverringerung

Durch ein Verhalten des Täters kommt es zu einer zeitlichen Verzögerung oder Milderung der Rechtgutsverletzung, ohne dass vom Täter eine neue, andersartige Gefahr gesetzt wird. Bsp.: C greift die über die Straße laufende W heftig am Arm, um zu verhindern, dass diese durch das heranrasende Auto erfasst wird. 

Atypischer Kausalverlauf

Ein Kausalverlauf ist dann atypisch, wenn der herbeigeführte Erfolg völlig außerhalb dessen liegt, was nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge und nach dem allgemeinen Lebensrisiko anzunehmen ist. Bsp.: F sticht auf den T ein. Beim Krankentransport muss der Fahrer abrupt bremsen und verschluckt sich an einem Kaugummi, worauf dieser stirbt und wenig später die T ebenfalls, da keine Hilfe in der Nähe war.
Hier realisierte sich eine andere (Tod durch fehlende Hilfe) als die geschaffene (Tod durch Messerstiche) Gefahr.
 

Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos

Bsp.: D, der an das Erbe seines Vaters V rankommen möchte, schickt diesen bei Gewitter nach draußen in den Wald, wo dieser tatsächlich von einem Blitz getroffen wird. Hier realisierte sich lediglich ein allgemeines Lebensrisiko, der Kausalverlauf war unbeherrschbar.

Rechtsmäßiges Alternativverhalten

Der Täter schafft zwar eine rechtlich missbilligte Gefahr, welche sich aber nicht im konkreten tatbestandlichen Erfolg konkretisiert, da mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass das Risiko auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten des Täters eingetreten wäre. Bsp.: A rennt bei Rot über die Ampel, obwohl der Autofahrer P sehr nahe ist. Es kommt zu einem Verkehrsunfall. Da P allerdings am Steuer eingeschlafen ist, darf mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Unfall auch geschehen wäre, wenn A nicht über die Ampel gerannt wäre.

Eigenverantwortliche Selbstgefährdung

Unter eigenverantwortlichen Selbstgefährdung versteht man das bewusste Eingehen einer Gefahr bei eigener Herrschaft über das den Erfolg herbeiführende Geschehen (BGE 125 IV 189). Die eigenverantwortliche Selbstgefährdung ist von der einverständlichen Fremdgefährdung abzugrenzen. Bsp.: M hat mit dem HIV-positiven L Geschlechtsverkehr. M weiß von der Infektion des L, möchte aber weiterhin mit L ungeschützten Geschlechtsverkehr haben und steckt sich wenig später an. Die eigenverantwortliche Selbstgefährdung wird von der einverständlichen Fremdgefährdung im Wege der Tatherrschaft abgegrenzt. Da diese im vorliegenden Fall bei M liegt, ist L die Infizierung der M nicht zuzurechnen.

Eigenverantwortliches Dazwischentreten eines Dritten

Ein geschaffenes rechtlich relevantes Risiko realisiert sich dann nicht, wenn ein Dritter vorsätzlich oder grob fahrlässig eine neue, selbstständig auf den Erfolg hinwirkende Gefahr begründet, welche eine stattgefundene Erstursache unterbricht und sich selbstständig im Erfolg konkretisiert. Bsp.: B verprügelt D und lässt ihn am Straßenrand liegen. D lebt noch, blutet aber am Kopf. Als B sich vom Tatort entfernt, schleicht sich die X heran und sticht auf D ein, wodurch dieser stirbt.

Schutzzweck der Norm

Der konkret eingetretene Erfolg ist nur dann als tatbestandsmäßig herbeigeführt zuzurechnen, wenn die verletzte Sorgfaltsnorm zumindest auch den Zweck hat, Erfolge wie diesen konkret eingetretenen zu verhindern. Bsp.: A überschreitet auf der Landstraße deutlich die Geschwindigkeitsbegrenzung. In der Ortschaft dann drosselt sie ihre Geschwindigkeit und fährt ordnungsgemäß. Plötzlich rennt ihr ein Hund vor das Auto, der sofort stirbt. Wäre A auf der Landstraße verkehrstreu gefahren, wäre sie im Ort gar nicht erst auf den Hund gestoßen. Die Kausalität ist zu bejahen, die objektive Zurechnung scheitert jedoch. Der Schutzzweck der Geschwindigkeitsbegrenzung besteht darin, Verkehrsteilnehmer im konkreten Straßenabschnitt (hier: Landstraße) zu schützen und nicht darüber hinaus dort, wo dieser endet bzw. ein neuer Abschnitt beginnt (hier: Ortschaft). Die Gefahr hat sich insoweit nicht im tatbestandsmäßigen Erfolg (Überfahren des Hundes) realisiert.

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