Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung

Definition

Nach dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung ist allein die persönliche Überzeugung des Richters für das Ergebnis der Beweisaufnahme maßgeblich, wobei alles verwertet werden muss, was Gegenstand der Hauptverhandlung ist, beginnend mit dem Aufruf der Sache bis zum allerletzten Wort. Auch Mimik, Erscheinen, Gestik und Auftreten der Beweisperson sind zu verwerten (Meyer-Goßner/Schmitt, § 261 Rn. 5). Der Richter ist nicht an Beweisregeln oder Beweisvermutungen gebunden (BGHSt 39, 291 (295)). Einschränkend wirken aber u.a. Beweisverwertungsverbote, wobei selbstverständlich auch Logik sowie wissenschaftliche Erkenntnisse einschränkend wirken. Beachte auch § 190 StGB.

Enthalten in:

Verfahrensgrundsätze StPO

Definitionen

Offizialprinzip

Das Offizialprinzip besagt, dass die Staatsanwaltschaft zur Erhebung der öffentlichen Klage berufen ist, vgl. § 152 I StPO. Beachte, dass ein Anklagezwang herrscht, wenn die Staatsanwaltschaft den Beschuldigten hinreichend verdächtigt, die Tat begangen zu haben (Anklagemonopol des Staates)! Eine Ausnahme des Offizialprinzips stellt die Privatklage gemäß §§ 347 ff. StPO dar.

Legalitätsprinzip

Dem Legalitätsprinzip zu Folge, ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet Ermittlungen aufzunehmen, sobald ein Anfangsverdacht entsteht, § 152 II StPO (Verfolgungszwang) und – bei hinreichendem Tatverdacht – öffentliche Klage zu erheben, § 170 I StPO (Anklagezwang). Durchbrochen werden kann das Legalitätsprinzip durch das Opportunitätsprinzip, wonach unter engen Voraussetzungen, eine Strafverfolgung eingestellt wird, vgl. §§ 153 ff. StPO.

Anklagegrundsatz / Akkusationsprinzip

Gemäß § 151 I StPO kommt es erst durch die Klageerhebung (durch die Staatsanwaltschaft, vgl. § 152 II StPO) zu einer gerichtlichen Untersuchung. Das heißt, dass kein Gericht ohne eine solche Klageerhebung einfach entscheiden kann „sich einem Fall mal anzunehmen und der Sache auf den Grund zu gehen“, sie ist vielmehr auf die Zuarbeit der Staatsanwaltschaft als Herrin des Vorverfahrens angewiesen. Beachte, dass die Anklageerhebung auf Seiten der Staatsanwaltschaft geschieht; erst durch Eröffnungsbeschluss (§ 203 StPO) nimmt sich das Gericht der Sache an und die Strafsache wird rechtshängig.

Grundsatz des gesetzlichen Richters

Nach dem Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 I S. 2 GG, § 16 S. 2 GVG), darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden! Ausnahmegerichte sind unzulässig. Die Zuständigkeit des Richters muss durch abstrakt-generelle Regelung im Voraus bestimmt sein. 
Richter sind Amtsträger, die durch staatlichen Akt in das Richteramt berufen worden sind und rechtsprechende Gewalt ausüben.

Amtsermittlungsgrundsatz (Untersuchungsgrundsatz)

Der Amtsermittlungsgrundsatz (auch: Untersuchungsgrundsatz / Instruktionsprinzip / Inquisitionsmaxime) besagt, dass die Strafverfolgungsbehörden den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und aufzuklären haben, §§ 155 II, 160 II, 244 II StPO. Zwar beschränkt sich die Untersuchung und Entscheidung nur auf die in der öffentlichen Klage bezeichneten Tat und auf die in der Klage beschuldigte Person (vgl. § 151 I StPO), allerdings ist innerhalb dieser Grenzen eine selbstständige Tätigkeit erfordert, weshalb das Gericht an Beweisanträge der Verteidigung oder der Staatsanwaltschaft nicht gebunden ist, sondern eigene Beweise erheben kann und soll, um den tatsächlichen Geschehensablauf nachvollziehen zu können (Prinzip der materiellen Wahrheit). 
Im Zivilprozess hingegen tragen ausschließlich die Parteien vor, weshalb auch lediglich diese vorgebrachten Tatsachen entscheidungserheblich sind (Prinzip der formellen Wahrheit).

Fair-Trial-Grundsatz

Der Fair-Trial-Grundsatz bezeichnet den Grundsatz des fairen Verfahrens und leitet sich aus Art. 20 III GG und Art. 6 I S. 1 EMRK ab.

Grundsatz des rechtlichen Gehörs

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist in Art. 103 I GG genannt. Der Betroffene muss die Möglichkeit haben, sich dem Gericht gegenüber erklären und zu den erhobenen Vorwürfen Stellung beziehen zu dürfen. So ist es ihm bspw. gestattet Beweisanträge zu stellen.

Nemo-tenetur-Grundsatz

Nach dem nemo-tenetur-Grundsatz, welcher auf Art. 2 I iVm 1 I GG (APR) beruht, ist weder ein Zeuge noch der Beschuldigte (bzw. Angeklagte) verpflichtet sich selbst zu belasten/anzuklagen (nemo tenetur se ipsum accusare). Es darf geschwiegen werden! Beachte, dass Schweigen und Lügen (vgl. §§ 153 ff. StGB) zwei unterschiedliche Dinge sind.

Beschleunigungsgrundsatz / Konzentrationsmaxime

Da ein Strafverfahren für die Beteiligten und insbesondere natürlich für den Beschuldigten sehr belastend ist, gilt es, das Verfahren möglichst schnell durchzuführen.
Dieser Beschleunigungsgrundsatz ist in Art. 6 I S. 1 EMRK niedergeschrieben und (für die Hauptverhandlung) in § 228 I S. 1 Alt. 2, 229 I StPO manifestiert. Er gilt aber auch für die Untersuchungshaft, vgl. 121 StPO.
Überlange Strafverfahren können strafmildernd berücksichtigt werden, selten jedoch als strafausschließendes Verfahrenshindernis.

Ne bis idem-Grundsatz

Der ne bis in idem-Grundsatz stellt eine zentrale strafprozessuale Verfahrensgarantie dar. Danach darf niemand wegen derselben Handlung zweimal bestraft werden (Verbot der Doppelbestrafung), Art. 103 III GG.

Unmittelbarkeitsgrundsatz (StPO)

Der Unmittelbarkeitsgrundsatz, welcher für die Hauptverhandlung gilt, besagt, dass das sachnächste Beweismittel Vorrang hat, § 250 StPO (materielle Unmittelbarkeit). Insofern gilt ein Personalbeweis vor einem Sachbeweis, also bspw. die Vernehmung eines Zeugen vor dem Augenscheinsbeweis oder dem Urkundenbeweis (BGHSt 15, 253).
Die materielle Unmittelbarkeit ist von der formellen Unmittelbarkeit zu unterscheiden. Danach hat eine Beweiswahrnehmung nur durch das Gericht selbst zu erfolgen.

In dubio pro reo-Grundsatz (Unschuldsvermutung)

Der in dubio pro reo-Grundsatz (Art. 6 II EMRK) verbietet, jemanden als schuldig anzusehen und zu behandeln, solange seine Schuld in einem gerichtlich geregelten Verfahren (!) nicht festgestellt ist (BVerfG 22, 254, (265)). Das Gericht muss also zu der Überzeugung kommen, dass der Angeklagte den Tatbestand einer Strafnorm erfüllt hat und dabei rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat (vgl. Fischer, Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, Rn. 50).

Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung

Nach dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung ist allein die persönliche Überzeugung des Richters für das Ergebnis der Beweisaufnahme maßgeblich, wobei alles verwertet werden muss, was Gegenstand der Hauptverhandlung ist, beginnend mit dem Aufruf der Sache bis zum allerletzten Wort. Auch Mimik, Erscheinen, Gestik und Auftreten der Beweisperson sind zu verwerten (Meyer-Goßner/Schmitt, § 261 Rn. 5). Der Richter ist nicht an Beweisregeln oder Beweisvermutungen gebunden (BGHSt 39, 291 (295)). Einschränkend wirken aber u.a. Beweisverwertungsverbote, wobei selbstverständlich auch Logik sowie wissenschaftliche Erkenntnisse einschränkend wirken. Beachte auch § 190 StGB.

Öffentlichkeitsgrundsatz

Der Öffentlichkeitsgrundsatz ergibt sich aus Art. 6 I S. 1, 2 EMRK und § 169 GVG. Danach sind „Streitigkeiten öffentlich zu verhandeln“, wobei auch das Urteil öffentlich verkündet werden muss. Die Öffentlichkeit darf der mündlichen Verhandlung also beiwohnen, dazu gehört auch die Presse. Bezweckt wird damit die Kontrolle der Judikative sowie das Interesse der Allgemeinheit an Rechtssicherheit und Rechtsfrieden.
Ausnahmen des Öffentlichkeitsgrundsatzes findet sich in §§ 170 ff. GVG, so sind bspw. Verhandlungen, Erörterungen und Anhörungen in Familiensachen sowie in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit grds. nicht öffentlich (§ 170 I S. 1 GVG).

Mündlichkeitsgrundsatz (StPO)

Der Mündlichkeitsgrundsatz ergibt sich aus § 261 StPO, wonach die „aus dem Inbegriff der (mündlichen) Verhandlung geschöpfte Überzeugung“ Grundlage des Urteils bildet.
Liest man dazu auch noch § 257 StPO, so ergehen Aussagen der Angeklagten, von Mitangeklagten, der Staatsanwaltschaft, dem Verteidiger und – natürlich auch des Gerichts – mündlich und sind somit der Öffentlichkeit zugänglich. Urkunden müssen verlesen werden, § 249 I StPO. Beachte Ausnahmen in §§ 251 ff. StPO.
 

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